Von Katrin Zinkel – Gesellschaft

Gedanken zum Thema Ausgrenzung und der Möglichkeit, vielleicht dazuzulernen
Was wäre, würden wir einander zuhören? Und respektieren in all unseren Besonderheiten, in dem, wie wir uns gleichen und dort, wo wir uns unterscheiden. Wir kämpfen gegeneinander, ohne Sinn und ohne Grund und, und das macht es so lächerlich, ohne Gewinn. Warum schlagen wir diese Schlachten, stehen in Fronten einander gegenüber und versuchen, das Alte auf Teufel komm raus zu bewahren. Warum spalten sich Generationen, warum ganze Gesellschaften darin, Menschen und ihre Interessen, ihre Ängste und ihr Sein einfach nur wahrzunehmen und zu akzeptieren? Warum hat unsere Gesellschaft so eine große Angst vor Veränderung, vor Neuem und vor Anderem?
Ich träume davon, dass Respekt die neue Währung wird; dass wir es schaffen, miteinander zu bestehen, ohne uns gegenseitig zu bekämpfen. Wir müssen nicht alles verstehen, das können wir auch nicht, aber wir können lernen zu akzeptieren. Wir können zuhören und stehen lassen, was andere sagen, denken und leben.
In meiner Zukunft darf ich erzählen und werde gehört. In meiner Zukunft, dürfen Menschen sein, wie sie es möchten. Wir werden Grenzen überwinden, manche auch niederreißen. Wir werden uns mit Respekt miteinander auseinandersetzen, wir werden Menschen als gleich betrachten und wir werden uns leben lassen.
Wir leben in einer Gesellschaft, die, das ist nicht verwunderlich, bestimmt ist, durch das Denken und das Handeln der Masse. Wir sprechen hier vom Normalen. Menschen im Durchschnitt, ein wenig mehr als das, ein wenig weniger. Ich Grunde eben das, was die Mehrheit ausmacht. Da geht es um Schulabschlüsse, um Lebensbedingungen, um Krankheitsstatistiken, um Familiengrößen, um Lebensraum und Lebensart, um Kultur und Kunst, es geht um das Bildungssystem und all das, was unseren Staat ausmacht. Gemacht von und für die normalen Menschen, die meisten Menschen.
In dieser Gesellschaft, sehen wir sie als eine Art Kreis, gibt es eine Mitte. Das ist die Norm. An dieser Mitte, also an dieser Norm, kann gemessen werden, was als normal gilt und wir sehen, es gibt Punkte auf dieser Kreisfläche, die sind näher an der Mitte, andere weiter entfernt. Doch was ihnen allen gemein ist, sie bewegen sich innerhalb der Linie, die den Kreis begrenzt und die ihn so erst zum Kreis und somit zum abgeschlossenen System werden lässt. Der Rand.
Wir sprechen von sogenannten Randgruppen. Menschen, die maximal von der Mitte entfernt sind, sich aber noch auf der Linie befinden. Meist wurden diese Gruppen aufgrund unterschiedlichster Begebenheiten von der Mitte aus an den Rand gedrängt. Da kleben sie nun. Der Druck der Menge lässt sie nicht in die Masse der Norm, der Rand begrenzt sie, dass sie nicht aus dem Kreis ins Nichts fallen. Die Norm, also die Masse der Gesellschaft, hat sich eingerichtet, mit diesen Randgruppen zu leben. Sie interessieren einzelne, es gibt staatliche Stellen und Unterstützung. Durchgesetzt wird beides sehr unterschiedlich, aber diese Randgruppen werden von der Gesellschaft als Teil dieser in irgendeiner Art akzeptiert. Meist reicht es den Menschen, sich nicht weiter zu befassen, die Augen zu schließen oder sie schlichtweg zu ignorieren. Öffentlich ablehnen würden sie die wenigstens Mitglieder der normalen Gesellschaft. Als Beispiel können wir das bei behinderten Menschen und/oder pflegebedürftigen sehen; wir haben diese Art des Verhaltens bei Alten und bei Sterbenden, bei vielen Kranken ebenso. Diese Menschen stören in gewisser Weise das normale Leben, machen den Alltag beschwerlicher und brauchen Zuwendung und Unterstützung. Dinge als, die von einer sogenannten sozialen Gesellschaft wie der unseren zu erwarten sind.
Doch eine Gesellschaft besteht nicht nur aus normalen Menschen und deren Randgruppen, sie besteht auch zum Teil aus den sogenannten Minderheiten der Neurodiversen. Menschen, die anders denken. Das sind queere Menschen, Borderlinerpersönlichkeiten, Menschen mit AD(H)S, Autisten, Hochbegabte und Hochsensible. Was passiert mit diesen Menschen? Sie liegen, kommen wir auf den Kreis zurück, außerhalb der Linie; sie passen nicht in die Normative, sie ecken an, sie sind anders. Und spätestens da fängt die Ausgrenzung an. Menschen werden dafür beschimpft und verurteilt, wie sie sind, dass sie sich außerhalb des Kreises Gesellschaft befinden. Aber warum? Wem schaden sie? Und es kann ja nur die Angst vor Schaden sein, die eine Gesellschaft dazu bewegt, andersdenkende abzuwerten und auszuschließen, sie zu beschimpfen, sie als minderwertig, falsch, irre oder arrogant zu bezeichnen. Oder ist es gar nur die Angst vor dem Anderen? Vor dem Unverständlichen?
Wir können aufeinander zugehen. Wir können Menschen als Menschen betrachten, wir müssen nicht in starren Normen leben und denken. Wir können Schubladen öffnen, den Mensch einfach Mensch sein lassen. Wir müssen uns nicht alle mögen, das ist unmöglich, aber wir sollten uns alle akzeptieren. Und wenn wir das Leben und Denken eines anderen nicht verstehen, warum lassen wir es dann nicht einfach dort, bei dem oder der anderen? Warum machen wir es zu unserem „Problem“, obwohl es doch eigentlich uninteressant für unser Leben ist?
Es ist schwer in diesen Zeiten positiv in die Zukunft zu blicken, aber ich versuche es. Ich versuche, selbst davon abzukommen, einen Anspruch auf Verständnis zu haben. Ich versuche aber auch, Menschen immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Fremde, das Andere, das Neue oder Unbekannte nicht gleichzeitig auch das Schlechte ist. Wir sind vielfältig, kein Mensch ist wie der andere, wir sind Individuen, wir fühlen, wir erleben, wir leben unser uns eigenes Leben und das gibt es nicht ein zweites mal auf dieser Erde. Und wir gruppieren uns; mit Menschen, die uns verstehen, denen wir uns ähnlich und nah fühlen, aber damit müssen wir keine Einheit bilden, die andere Menschen abwertet oder ausschließt. Wir lernen miteinander zu leben, uns gegenseitig sein zu lassen. In meiner Zukunft bestehen die Menschen miteinander, sie haben gelernt, dass wir alle gleich sind und doch so verschieden. Wir alle beginnen unser Leben mit der Geburt und wir alle enden mit dem eigenen Tod. Alles, was dazwischen liegt, ist individuell, sind unsere Erfahrungen, unsere Gedanken, unser Fühlen und unser Denken. Nichts gibt es ein gleiches mal. Wenn wir das begriffen haben, entziehen wir uns als Gesellschaft selbst diese bremsende und vernichtende Basis, andere Menschen für das, was und wie sie sind, auszugrenzen. Unsere Gesellschaft ist ein Kreis, wir Menschen machen die Fläche und die Größe dieses Kreises aus; wir sind begrenzt, durch das Band des Menschseins – was auch immer sich hinter diesem Band, außerhalb der Gesellschaft befindet, es ist die Zukunft, die Vergangenheit, die Erfahrung, das Wissen, die Liebe und die Ewigkeit.

Katrin Zinkel
Abitur (humanistische Schulbildung); Studium der Germanistik und Philosophie
Ich lebe mit meiner Familie mit drei Kindern und habe mich nach dem sehr frühen Tod meiner Mutter und dem Tod meines Bruders zur Hospizbegleiterin und Trauerbegleiterin ausbilden lassen. Ich arbeite ehrenamtlich auf einer großen Palliativstation und begleite Menschen an den Tod. Mein Interesse und mein Kernthema meines Schreibens sind die Probleme, die im Spannungsfeld „Randgruppen und Gesellschaft“ entstehen. Ich setze mich vor allem mit dem Thema des Andersseins auseinander. „Wir alle sind gleich in dem, dass wir alle anders sind.“
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