Wolf Hamm Kultur – Gesellschaft

Die Zeitenwende oder Wandlungen
Der Dorfpoet von Wandelei, Maurus Wandt, hatte sich auf dem Weg zum Sonntagsstammtisch im Wörterwald verirrt. Warum auch will er ausgerechnet heute ein Gedicht über das Lob des Wandels verfassen? Als würden die ganzen weltweiten Wandlungen nicht schon genügend Wandalismus erzeugen.
Die vier Buchstaben W A N D mit Vor- und Nachsilben flitzten im Wörterlabyrinth seines Gehirns und hin und her, um durch ihr Wandeln seine verwandte lyrische Seelen ins Moor zu führen, wo solche ungewandten Dichter wie Wandt in erfolgreiche Umwandler seliger Gefühle in edle Wörter verwandelt werden, die dann den Preis des deutschen Buchwandels, Verzeihung, des deutschen Buchhandels, erhalten.
Schreiben war für ihn nur ein Vorwand, nicht reden zu müssen. Er überwand seine Ungewandtheit beim Vortragen seiner Gedichte nicht. Er wollte aber durch die Wirkung seiner Gedichte den Lebenswandel seines Publikums so beeinflussen, dass sich ihre Persönlichkeit zu einem besseren Menschentum verwandelte, das Freude und Frieden verbreitend die Welt durchwanderte.
Wanderungen waren Reimers unwandelbare Gewohnheit, denn mit dem Gehen erwanderte er sich Erlebnisse und Gedanken, die er zu Dichtungsstoffen verwandelte. Die Kirchenglocken, die die Wandlung in der Messe anzeigten, rissen ihn aus seiner Wörterweltwanderung und ließen ihn den Weg zum Wirtshaus hinabwandeln. Ganz in sich versunken setzte er sich an den Stammtisch.
„Wos machstn heit für a trübsinnigs Gsicht, Dichter?“, bohrte sich redegewandte Bürgermeister in die Seele des Poeten.
„Ich schreibe ein Gedicht über Wandlungen. Das ist sehr schwer.“
„Warum schreibst as dann?“ Der den politischen Wandel stets verhindernde Bürgermeister verachtete den Schöngeist.
„Der Mensch muss an sich arbeiten, um besser zu werden“, predigte der Dichter.
Da rief der Bürgermeister: „Do, schau her! Dös is mei Wandlung!“ Und er hob seinen vollen Maßkrug und leerte ihn, ohne abzusetzen.
„So verwandle i einen vollen in an leeren Maßkrug.“ Die Männerrunde machte geschlossen die bürgermeisterliche Wandlung nach, während der Dichter sein Wasser ohne Sprudel trank.
Der Bürgermeister stand auf, wankte durch das Gastzimmer und hangelte sich die Wand entlang zu seinen Mercedes. Die Außenwand seines Hauses verwandelte den Mercedes in einen Schrotthaufen. Ob der Bürgermeister danach sein Verhalten verwandelte, ist nicht überliefert.
Bekannt aber ist, dass es immer wieder Persönlichkeiten gibt, die einen Wandel der Menschen, der Politik, der Gesellschaft, ja der ganzen Welt fordern, meistens mit dem Ziel, dass sie mit seiner oder ihrer Führung die letzte, die Große Wandlung, erleben werden:
Aus Staub bist du, zu Staub wirst du!
Und darum die ganze Wandelei?

Wolfgang Hammer (Pseudonym Wolf Hamm); geboren 1946 In Oberaudorf; Gymnasiallehrerausbildung für Deutsch und Geschichte; Lehrer an Gymnasien in Flensburg, Kopenhagen und an der Universität in Kiel; von 1992 bis 2011 Leiter der Lehrerausbildung in Rostock. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Pädagogik und Geschichtsunterricht. Mehrere Romane und zahlreiche Geschichten; wohnt seit zehn Jahren in Mitterfels.
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