Anke Grützmacher – Gesellschaft – Bewusstsein

Halt
Ist es nicht heute genauso, wie vor tausend Jahren?
Eint uns nicht alle diese tiefe, oft verborgene Sehnsucht nach Sicherheit und Beständigkeit? Steht dieser Wunsch nicht vor allen anderen?
Ganz bestimmt! Wir brauchen und fordern unerschütterliche Liebe, ob Säugling, Kind Teenie Erwachsener oder Rentner.
Jeden Tag wollen wir begrüßt, beachtet, geschätzt und geliebt werden. Eine Verlässlichkeit spüren, möglichst zu einhundertzehn Prozent.
Wer kann das bieten? Schon geht die Suche los. Wenn unsere Welt einzustürzen droht, wer oder was hält uns dann?
Wir wünschen uns jemanden, der fest wie ein Fels in der Brandung an unserer Seite steht. Jemand, der kritiklos zuhört, jemand, der sich Ratschläge erspart, jemand, der einfach nur da ist.
Einfach da sein ist viel mehr und viel schwieriger, als das Wort verspricht. Rein körperlich da sein, nah bei dem anderen, ist das eine, Einfachere. Da sein erstreckt sich ebenso auf die Fokussierung der Sinne, der Gedanken und der Gefühle zu unserem Gegenüber.
Hier wird es schwer. Viel zu abgelenkt von der Flut an Informationen, die in unserem Kopf umhertanzen, fliegen unsere Gedanken umher.
Sehr genau spüren wir, wenn der andere uns nicht die volle Aufmerksamkeit schenkt, obwohl er uns anschaut.
Wer hat das noch nicht erlebt, einen Gesprächspartner mit vermeintlichem Interesse, der mit seinen Gedanken woanders, vielleicht sogar von uns genervt ist. Unser siebenter Sinn durchschaut das sofort.
Was unter Arbeitskollegen und Nachbarn noch zu tolerieren ist, bereitet nach Feierabend in privaten Beziehungen schnell Unwohlsein. Die große Liebe hört nicht zu? Sie hat keine Zeit? Zu blöd.
Gefühle fahren dann Achterbahn. Wir fallen. Wo sind die hundertzehn Prozent Sicherheit. Sind wir so verletzlich?
Was ist mit unserer eigenen Stärke, ist sie so felsenfest, wie wir es von anderen erwarten?
Wozu brauchen wir überhaupt ein Gegenüber? Ist es allein nicht einfacher, keine Kompromisse, nur unsere Wünsche? Sind wir uns selbst nicht genug?
Unsere Gefühlswelt ist ein kompliziertes Gerüst, das bei Sturm hin und her schwankt, uns instabil vorkommt. Wir suchen Halt. Wir brauchen Halt. Haltlosigkeit halten wir nicht aus.
Wir haben heute so viel Zeit für uns wie niemals zuvor. Nehmen wir uns zu viel Zeit zum Nachdenken, Abwägen, Anzweifeln oder um den Richtigen zu suchen?
Sind wir nicht ständig auf der Suche nach neuen Ansprüchen und Wünschen, erwarten Perfektion von uns selbst?
Die Anforderungen an einen treuen Begleiter werden dabei immer höher. Ein glückliches Paar, das silberne oder gar goldene Hochzeit feiert, wird bestaunt wie eine seltene Tierart. Wie haben sie es nur geschafft? Wird eine sichere, glückliche Verbindung irgendwann unerreichbar?
Die Welt ist schön, die Welt ist bunt. Wir wollen sie mit beiden Händen schöpfen, darin baden, alles ausprobieren, nichts verpassen, uns verwirklichen. Zu zweit auf Wolke sieben schweben bis in alle Ewigkeit ist unser größtes, manchmal geheimes Ziel.
Da hat es ein Partner schwer, selbst wenn er nach Gleichem strebt.
Geben und Nehmen ist wohl der Schlüssel. Kann ein Gleichgewicht gar Harmonie entstehen?
Die Beziehungsverläufe in unserer modernen Gesellschaft scheitern oft am Geben.
Zeit geben ist viel. Aufmerksamkeit schenken noch mehr. Verständnis haben, ist alles.
Vielleicht ahnen wir, dass ein Zweibeiner dem nie gerecht werden kann und schaffen uns deshalb so gern einen Hund an. 😉

Anke Grützmacher, 1968 in Potsdam geboren,
Kindheit mit Landwirtschaft im Dorf verknüpft,
Pädagogisches Fachschulstudium,
in Kindereinrichtungen über 25 Jahre tätig,
2008 Ausbildung Heilpädagogik,
Schreiben ab 2012 in beruflicher Pause,
Kurzgeschichten, Lyrik und einen Roman
Veröffentlichung.: Gedichte, biografische Erzählung, Kinderbuch,
Reisebericht

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