ZeitenGeist

Magazin für Kultur, Gesellschaft und Bewusstsein


Glaube und Gläubiger

Von Bernhard Horwatitsch – Gesellschaft

DAS KAPITAL

Glaube und Gläubiger

Die größte Bibeldruckerei steht in Nanjing (VR China) und jährlich werden 20 Millionen Stück gedruckt und in 60 Länder exportiert. Dieses Buch hat bekanntlich die Welt umgekrempelt. „Nochmals sage ich euch: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ – heißt es bei Matthäus 19,24 . Die Gutenberg-Bibel, auch bekannt als „B42“, ist das erste Buch, das durch den modernen Buchdruck hergestellt wurde. Von rund 180 originalen Exemplaren haben es lediglich 48 Stück bis in die heutige Zeit geschafft und nur 31 befinden sich in einem perfekten Zustand. Eines dieser Exemplare wurde 1987 für 4,6 Millionen Euro in einer Auktion versteigert.

Nun ist ein Reicher ja irgendwie reich geworden. Wie er das wurde steht in einem anderen Buch. Denn Religion ist ja Opium fürs Volk.

Das letzte Buch, das die Welt veränderte, erschien vor  155 Jahren, wohl am 11. September 1867. Ein 796 Druckseiten umfassendes Sachbuch mit 1023 Fußnoten „ordinär“, also ohne festen Einband in einem gelben Umschlag im Verlag Otto Meißner. Es gab eine Erstauflage von 1000 Stück und ein Buch kostete 3 Thaler und 10 Neugroschen. Der Wochenlohn eines normalen Fabrikarbeiters betrug in dieser Zeit 2½ Thaler. Soll also hierzulande und heutzutage noch einer über unsere Buchpreisbindung schimpfen und jammern, wie teuer das Hardcover sei. Uns werden die Bücher hinterher geworfen. Aber warum? Nun: Weil Bücher nicht mehr die Welt verändern können, wie es noch das eben erwähnte Buch (Das Kapital von Karl Marx) getan hat. Und das mit so spannenden Sätzen wie: „Als Einheit von Arbeitsprozeß und Wertbildungsprozeß ist der Produktionsprozeß Produktionsprozeß von Waren; als Einheit von Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß ist er kapitalistischer Produktionsprozeß, kapitalistische Form der Warenproduktion.“ Aber es gibt auch Sätze wie: „Der Mensch tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur.“ Und am Ende – nun ja – kommt es schließlich auf Veränderung an und nicht auf Interpretation.

Das 5. Kapitel im Kapital Band I ist sicher das Fundament. „Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.“ Unser menschlicher Arbeitsprozess findet sich im Produkt selbst wieder als eine Vorstellung unseres Tuns, weil der Prozess des Tuns den Arbeitsgegenstand so verändert, dass er als Gebrauchsgegenstand ein den menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Naturstoff wurde. Die menschlichen Bedürfnisse, sein Verlangen, seine Wünsche, seine Ansprüche sind allerdings unstillbar. Kennt die Ökonomie einen Grenznutzen, so kann der Mensch seinen Magen auf eine Weise dilatieren, dass das jede Vernunft sprengt. So ist der Kapitalismus mit seinem Reichtum an Waren, also den materialisierten Bedürfnissen des Menschen, das materialisierte Verlangen in den Schaufenstern, eine logische Folge unserer ureigensten Bauart.

Daher glaube ich nicht, dass der Kapitalismus auf rein ökonomischer Ebene überwunden werden kann. Aber dennoch müssen die kapitalistischen Verhältnisse geändert werden. Ohne dies geht es gar nicht. Die ökonomischen Verhältnisse heute sind nämlich vor allem durch die Schaffung von fiktivem Kapital geprägt. Der Staat ist hier das Instrument zur Schaffung dieses fiktiven Kapitals für die Aktionäre. Der Staat erhebt Steuern mit denen er die private Wirtschaft ankurbelt und der Staat schafft die Bedingungen unter denen dann nicht mehr Waren, sondern bloß noch Reichtum geschaffen wird, für die Aktionäre. Die Welt wird von Aktiengesellschaften regiert und der Staat ist ohne diese Aktiengesellschaften nichts. In der globalen Weltwirtschaft ist die Nation das Fundament der Ausbeutung. Sobald die Wirtschaftsagenten einer Nation nicht mehr genügend wirkliches Kapital schaffen kann (wirkliches Kapital entsteht durch die Produktion von Waren, die teurer verkauft werden als die Herstellung kostete – auf Kosten der ausgebeuteten Arbeiter und Angestellten), wächst der Reichtum an fiktivem Kapital für die andere Nation. Das geschieht dadurch, dass die Nation deren Waren nun weniger wert sind, mehr bezahlen muss, um ihre Waren noch auf dem Weltmarkt platzieren zu können.  Dies geschieht durch hochverzinsten Vorschuss auf die wertgeminderten Warenproduzenten. Für einen Kapitalisten ist das inzwischen viel erträglicher, als selbst Waren zu produzieren in einem übersättigten Weltmarkt. Die Ökonomie kennt einen Grenznutzen. Der Mensch nicht. Während der Markt übersättigt ist und keine Waren mehr absetzen kann, bleibt der Mensch selber hungrig. Sein Magen ist dilatierbar. Bis hin zum Exitus. Und nun erleben wir im Kapitalismus Krisen dadurch, dass einerseits Staaten den hochverzinsten Vorschuss nicht mehr tilgen können, nicht einmal mehr die Zinsen darauf zahlen können (Griechenland als Beispiel) und andererseits Staaten, die so viel fiktives Kapital zur Verfügung haben, dass sie es gar nicht mehr los werden können. Die Gläubiger sind inzwischen so reich und die Schuldner so arm, dass die Gläubiger ihr Geld nicht mehr los werden und Schuldner es nicht mehr zurückzahlen können. Das ist meist Vorstufe eines Krieges. Unter diesem Aspekt sollte man den Konflikt mit Nordkorea betrachten (und ganz sicher den aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine). Die USA verfügt über 58.000 Dollar Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und Jahr, Nordkorea über 738 Dollar BIP pro Kopf und Jahr. Nordkorea liegt damit auf Platz 173 in der Weltrangliste. China oder Russland (Nordkoreas Nachbarn) verfügen immerhin über jeweils 8000 Dollar BIP pro Kopf. Südkorea verfügt sogar über 37.000 Dollar BIP pro Kopf. Zum Vergleich, Deutschland verfügt über 41.000 Dollar BIP pro Kopf. Damit ist Deutschland nicht unter den Top-Ten, sogar vier Plätze hinter Österreich. Diese Zahlen besagen erst einmal wenig. Hier sollte man vielleicht doch erwähnen dass der BIP ein komplizierter Wert ist, davon abhängig welcher mathematische Holzkopf das ausgerechnet hat. Daher sollte man sich eher die größten börsennotierten Unternehmen anschauen. Da liegt Wal-Mart vorne, mit 500 Milliarden Jahresumsatz, gefolgt von Royal Dutch Shell mit 460 Milliarden Jahresumsatz. Und Royal Dutch Shell muss kaum teilen, die haben nur 90.000 Mitarbeiter. Wal-Mart immerhin über zwei Millionen (womit Wal-Mart zugleich der weltweit größte Arbeitgeber ist). Dann kommen mit Sinopec und China National Petroleum zwei chinesische Unternehmen auf Rang drei und vier. Dann wieder USA mit Exxon Mobil.
Interessant ist hier: Deutschland liegt im Ländervergleich auf Platz vier, hat also das viertgrößte BIP der Welt und liegt nur auf Platz 19 beim pro Kopf Vergleich. Luxemburg liegt im pro Kopf Vergleich auf Platz 1 und im Ländervergleich auf Platz 75. Wie kann es sein, dass ein Land die meisten Güter besitzt und ihre Bewohner selbst so wenig? Und andererseits ein Land, das kaum etwas besitzt so viele Reiche beheimatet? Das liegt daran, dass die Staatsregierungen nur das Instrument der globalen Weltwirtschaft sind und Aktiengesellschaften auf die Bewohner der einzelnen Länder scheißen. Und Aktionäre leben dort, wo ihnen der Staat noch tiefer in den Arsch kriecht. Die meisten Menschen sind schlicht arm. Wenn einmal diese vielen armen Menschen keine Angst mehr haben, vor den wenigen reichen Menschen, dann… – träumt weiter.

Auf rein ökonomischer Ebene kann der Kapitalismus nicht überwunden werden. Also doch wieder die Bibel? Aber die meisten Kriege wurden angezettelt, weil es um Glaubensfragen ging. Über etwas das gar nicht existiert, kann man ja wunderbar streiten. Krieg war dann für die Reichen ein gefundenes Fressen, um noch reicher zu werden. “Kaufe, wenn das Blut in den Straßen fließt!” lautete zu Anfang des 19. Jahrhunderts der berühmte Ausspruch Nathan Rothschilds, Spross des britischen Zweiges der gleichnamigen Bankier-Familie. Er hat bekanntlich im Kielwasser der durch die Schlacht von Waterloo ausgelösten Börsenpanik ein Vermögen gemacht. “Kaufe, wenn das Blut in den Straßen fließt, selbst wenn es Dein eigenes ist!” soll der volle Umfang dieser Aussage gewesen sein. Bei Martin Luther war der Mensch noch abhängig von der Gnade Gottes. Und Gott war immer den Tugendhaften gnädig. Was tugendhaft war bestimmte wiederum die Institution Kirche und deren CEO.  Besser war das auch nicht. Also verwerfen wir den Glauben ebenso wie den Gläubiger. Aber was zum Henker bleibt uns dann noch? Die großen Weltinstitutionen heißen Glaube und Kapital. Beide sind nichts weiter als Ausbeutungsmaschinen mit deren Hilfe wenige reich und viele arm werden. Die Frage ist also: Brauchen wir überhaupt eine Institution, wenn jede Institution nur Beleg und Instrument für unsere Armut ist? Weg mit dem Staat, weg mit der Kirche? Sind wir Menschen wirklich nicht in der Lage gut zu einander zu sein, ohne dass wir zum Gutsein geprügelt werden müssten? Ich vermute eher, dass diese ständigen Prügel uns grade immer schlechter machten. Und wenn man nun die Prügel einfach einsammelt und ins Meer wirft?

Träumt weiter, träumt weiter… .

(Quellen: Alle Zahlen von Wikipedia, gevesto.com)

Bernhard Horwatitsch https://www.literaturprojekt.com/




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