Fakenews aus der Geschichte
Von Bernhard Horwatitsch – Gesellschaft – Utopien – Bewusstsein
Wie jeder vernünftige und empfindsame Mensch verabscheue ich Arbeit
(Aldous Huxley)

Die Geschichte des englischen Armengesetzes spiegelt – finde ich – sehr gut die Entwicklung hin zum modernen Arbeitsbegriff. Die Wohlfahrt hat sich aus dem christlichen Gedanken, den Armen zu geben zunächst in den Klöstern gebildet. Almosen durch Reiche waren freiwillig. Der soziale Druck bestand darin, dass man als Reicher schwieriger in den Himmel kommt, denn als Armer. Almosen waren ein Weg in den Himmel.
Als in der Neuzeit das Armutsproblem durch die Enteignung der Bauern (frühindustrielle Schafszucht machte das notwendig) größer wurde und die arme Landbevölkerung in großen Gruppen in die Städte kamen, verschärfte sich der Widerstand des Mittelstandes und der Reichen. In England schaffte Heinrich VIII die Klöster ab und trug zusätzlich zu einer Verschärfung bei. Seine Nachfolgerin Elisabeth I. schuf dann Anfang des 17. Jahrhunderts die Armutsgesetze, die old poor laws, in dem der Staat die Versorgung übernahm. Die Frage, wie viel Brot benötigt eine Familie mit so und so viel Kindern wurde berechnet und so bekamen die Armen dies exakt ausgehändigt. Finanziert wurde dies durch eine Armensteuer. Dagegen regte sich zunehmend Widerstand beim Mittelstand und den Reichen, denn diese hatten sich ihren Reichtum ja redlich verdient. Es war dann der britische Methodist und Alleskönner Joseph Townsend, der in seiner Schrift A Dissertation on the Poor laws. By a well-wisher to mankind (1786) kritisierte, dass das Recht der Armen auf Unterstützung die Entfaltung der Märkte behindere und infolgedessen Armut und Verelendung immer weiter zunehmen würden und daraufhin darlegte, dass das mit den Armen ein Naturgesetz sei. Mit einer Geschichte von den Juan-Fernandez-Inseln sah er seine These als belegt an. Dort hatte der Entdecker Fernandez Schafe ausgesetzt. Diese vermehrten sich, da sie genug zu essen vorfanden. Aber es wurden immer mehr Schafe, die alles kahlzufressen drohten. Daher setzte (angeblich) Fernandez Hunde aus, die jene Schafe jagten. Die Schafe zogen sich bedroht von den Hunden zurück in die Berge und es kam zu einem neuen Gleichgewicht, weil die Hunde ihnen nicht folgen konnten. Nur die geschicktesten Hunde und die vorsichtigsten Schafe überlebten. So sei es eben auch mit den Armen. Es gibt sie immer und wenn man ihnen einfach Geld gibt, dann würden diese sich ungebührlich vermehren. Wenige Jahrzehnte später nahm Robert Malthus genau diese Geschichte in seinen Principle of Population wieder auf. Für Karl Marx (Kapital I S 597) war Malthus Principle of Population „nichts als ein schülerhaft oberflächliches und pfäffisch verdeklamiertes Plagiat“. Malthus hatte es von Townsend unverändert abgeschrieben. Später gab er es sogar nonchalant zu. Und dazu kommt, dass die Hunde in der Geschichte frei erfunden sind. Es gab dort diese Hunde nie. Ein angeblich wissenschaftlich bewiesenes Naturgesetz der klassischen Nationalökonomie beruht auf einer frei erfundenen Geschichte. Einer Fiktion, der später sogar der berühmte Charles Darwin aufsaß. Darwin schrieb in seiner Autobiografie, dass er nur zum Spaß das Buch von Malthus gelesen habe und durch die Schafs-Geschichte fand er die Bestätigung seiner Idee der natürlichen Auslese, und so hätte er dadurch endlich eine Arbeitsthese bekommen. Die Evolutionstheorie – die Anpassung der Arten – ruht auf einer frei erfundenen Schafsgeschichte.
Später kritisierte auch der berühmte Philosoph und Reformer Jeremy Bentham die old poor laws und forderte die Workhouses in ganz England. Er selbst entwarf dazu die Architektur des Panoptikums. Ab da wurden die Armen in Arbeitshäusern eingesperrt. Und die Ideologie „Geld nur bei Arbeit“ war in der Welt. Sie wurde dann so auch im wilhelminischen Reich in Deutschland übernommen.

Nun – warum erzähle ich das? Alle Sozial-Utopien von Thomas Morus Utopia bis Callenbachs Ökotopia fußen auf einem Modell des Gemeineigentums. Deutlich reduzierte Arbeitszeiten einerseits, aber im Wesentlichen gleichen sich nahezu alle Sozial-Utopien darin, dass Arbeit nicht dazu dient das Individuum zu erhalten, sondern die Gemeinschaft. Arbeit ist gemeinschaftsstiftend. Und das ist in der Tat eine gemeinsame Klammer nahezu aller Sozialutopien.
In einem jüngeren Experiment hat eine Kindergärtnerin scheinbar unabsichtlich Sachen fallen lassen und die Kinder reagierten spontan, hoben es auf und gaben es der Kindergärtnerin, ganz ohne Aussicht auf Gratifikation. Dann versprach man den Kindern eine Belohnung, Gummibärchen, wenn sie die Sachen für die Kindergärtnerin aufheben würden. Und was geschah? Die Bereitschaft der Kinder die Sachen aufzuheben sank um die Hälfte ab. Für ein Gummibärchen? Sicher nicht, zwei, drei, vier, eine ganze Tüte…. So hat uns das Belohnungssystem, eine besonders hinterlistige Form der Konditionierung, das Arbeiten versaut. Auch die Basis der – durch die Schröder-Agenda in die Welt gebrachten Hartz-IV-Gesetze ruht auf dieser frei erfundenen Geschichte von Joseph Townsend.

Bernhard Horwatitsch https://www.literaturprojekt.com/
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