ZeitenGeist

Magazin für Kultur, Gesellschaft und Bewusstsein


Negative Dialektik – Eine philosophische Erkundungsreise

von Bernhard Horwatitsch

Hütet euch vor den Soft Skills!

Die Karriere-Fibel für Anti-Philosophen (meta-ethische Impressionen mit einem Schluss aus der negativen Dialektik)

Immer wieder stößt man auf erfolgreiche Menschen die ihre Soft Skills wie eine Art Liste abarbeiteten, und nicht etwa als einen kohärenten Raum. Für diese Menschen sind die Soft Skills Begriffe und keine zusammenhängenden Tatsachen. Das wiegt schwer, denn schaut man sich die als Soft Skills gelisteten Begriffe als Tatsachen an, wird jeder einzelne Begriff im Kontext seines ontologischen Status sichtbar. Erfolgreiche Menschen nehmen die Begriffe  aber als Wert für sich. Da steht dann zum Beispiel „Kooperation“ als Fähigkeit. Nun für sich genommen: Ich kann auch mit einer Mafia-Familie kooperieren und mit dem Street-Boss mitfühlen. Klar bin ich dann innerhalb dieser Mafia-Familie erfolgreich und mache dort Karriere. Der Pragmatismus eines Auftragskillers ist damit exakt deckungsgleich mit dem Pragmatismus eines Firmenmanagers. Deshalb überraschen mich die Skandale um die Deutsche Bank oder die deutsche Autoindustrie überhaupt nicht.
 Oder anderes Beispiel: der Faktor Teamfähigkeit aus der sozialen Kompetenz. Die Teamfähigkeit hängt ja nicht allein von mir ab. Wenn ich in einem Team arbeitete mit Menschen, die ängstlich sind, hinterhältig und konfliktunfähig, dann kann ich teamfähig sein wie ich will. Da machst du keine Karriere. Anpassungsfähigkeit wird hier zur inhaltsleeren Floskel in der Liste der Soft Skills. Sich an ein hinterhältiges, konfliktunfähiges Team anzupassen? Das macht diese Soft Skills zur Karikatur. Der Begriff Eigenverantwortung oder Kritikfähigkeit müsste so manche Anpassung wieder rückgängig machen. Die Wertung ist also problematisch. Da aber die Soft Skills als eine wertfreie Liste abgearbeitet werden, verlieren sie nicht nur ihren Wert an sich, sondern auch für sich. Das heißt: Motivation (eine soziale Kompetenz im Bezug auf Zusammenarbeit) verliert ihren Wert, wenn meine Motivation dazu dient, mit einem Team gemeinsam eine andere Gruppe Menschen (Konsumenten) auszubeuten, auszurauben und zu vergiften. So eine Motivation hatten auch die Panzerknacker.

 Oder der Passus Menschenkenntnis! Was heißt das? Wie viele Menschen ich kenne? Meine Follower-Anzahl bei Facebook? Im Gegenteil kann Menschenkenntnis die Karriere zerstören. Wenn du deinen Chef durchschaust, musst du es nicht mehr sagen. Wer den Pfuhl durchschaut, wer Kollegen oder Vorgesetzte erkennt, weiß ja jetzt von ihren Schwächen und Täuschungsmanövern, ihrer Fassade, ihrem Imponiergehabe. In den meisten Betrieben wird geschmeichelt, geleckt und geduckt. Das sind die Soft Skills! Drei Disziplinen: Schmeicheln, lecken, sich ducken. Und ob man es nun gerne hört oder nicht: Wir Menschen haben alle eine dunkle Seite, und verbergen diese. Doch wer die Menschen kennt, sieht auch die „dunkle Seite des Mondes“.  Menschenkenntnis habe ich in 30 Berufsjahren fast nie angetroffen. Was ich aber angetroffen habe: Psychopathen, die zielsicher auf deine Schwächen losgehen, die dich von hinten erdolchen. Oder solche die Tyrannei ausüben, um eigene Schwächen zu verdecken. Menschenkenntnis fehlte den Erfolgreichen meist völlig. Menschenkenntnis ist nicht allein ein Wert für sich. Erst im Kontext mit deiner Umwelt wird die Kenntnis von Menschen zu einem Wert. Aber dann ist es ein Wert und hat letztlich einen eigenen ontologischen Status. Ansonsten ist eine Eigenschaft einfach nur eine Eigenschaft.
In der Liste der Soft Skills nach betriebswirtschaftlichen Kriterien wird den dort aufgelisteten Begriffen gerade dieser ontologische Status vollständig aberkannt. Sie werden als bloße Eigenschaft hierarchisiert.
 Wenn man in einem Team von Hyänen arbeitet, bedeutet Teamfähigkeit gemeinsam mit ihnen zu jagen, und nicht etwa, sie zur Mäßigung aufzurufen. Allein diese Tatsache zerlegt jede Verbindung von Soft Skills und Karriere. Bleiben am Ende lediglich die methodischen Kompetenzen übrig?  Nein. Nimmt man soziale Kompetenzen wirklich ernst, dann sind die methodischen Kompetenzen die Magd der sozialen Kompetenzen.
Die sozialen Kompetenzen implizieren immer auch eine Form des Gewissens. Zum Beispiel die Fähigkeit zur Empathie. Es geht bei der Empathie nicht darum, jedem Schwein sein Mitgefühl zeigen zu können. Es geht auch darum, klar und deutlich zum Ausdruck bringen zu können, dass man ein bestimmtes Fehlverhalten seines Kollegen oder Vorgesetzten missbilligt. Doch hier benötigt man die methodische Kompetenz der Argumentation. Dabei ist aber zu berücksichtigen, ob man nur sophistisch vorgeht und die Fähigkeit zur Argumentation lediglich manipulativ einsetzt. Dann macht man sicher Karriere. Wenn man aber das Sein der jeweiligen in Frage stehenden Fakten zu einem logischen Schluss bringt, dann wird man in den meisten Betrieben sofort gefeuert. Sobald man also einer dieser Soft Skills einen ontologischen Status zuweist, wird man automatisch gefeuert. Das betrifft auch die gesamten methodischen Kompetenzen. Präsentiere ich, um lediglich zu überzeugen? Dann wird es eben inhaltsleer und es geht nur noch um das Tun selbst. Man handelt ohne Konsequenz auf das Ergebnis. Und Sie wundern sich, dass wir zunehmend ökologische Krisen produzieren? Eigenverantwortung würde tatsächlich dazu führen, so manche Präsentation zu streichen. Aber das hieße: Du bist gefeuert!

Der ganze betriebswirtschaftliche Blickwinkel auf diese Soft Skills ist erschreckend inhaltsleer und rein sophistisch. Analytische Fähigkeiten oder Problemlösungskompetenzen sind nur dann wirkliche Fähigkeiten, wenn der Schluss meiner Überlegungen unabhängige Wahrheiten produziert. Doch das ist eben nicht förderlich für die Karriere. Also: Wollt ihr erfolgreich sein? Dann hütet euch vor den Soft Skills. Seid freundliche Schweine mit einem smarten Lügenmaul. Seid ihr jedoch altruistische, couragierte und großmütige Menschen mit klaren und durchdachten Standpunkten, vergesst eure Karriere. Hier steigt ihr eine ganz andere Leiter hoch. Aber diese Leiter steht in einer Wettbewerbsgesellschaft im Hinterhof des Seins.

Was etwas bedeutet ist, was es ist, indem man es tut

Zum richtigen Leben mit Hilfe der praktischen Philosophie. Oder: sei identisch zu etwas, indem du dich identisch dazu verhältst

Gute Philosophen vermitteln immer auch ein wenig Zuversicht. Von Theodor Wiesenthal Adorno gibt es jedoch den berühmten Satz: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“ In seiner Radikalität stimme ich dem Satz zu. Aber um zur Wurzel vorzudringen, also zum richtigen Leben, gilt es anzufangen. Eigenschaften machen uns, aber sie machen uns nicht aus. Wie wird also nun aus dem falschen Leben ein gutes Leben? Wie kann ich meine Eigenschaften nutzen, um ein gutes Leben zu generieren? Das gute Leben betrifft nicht mich alleine, sondern auch das Leben der anderen. Kompetenz ist eine Fähigkeit zu etwas.  Hier gilt es also das Indefinitpronomen „etwas“ zu bestimmen. So wird aus dem Begriff eine Sache. Meine Eigenschaft sollte also in der Sache identisch sein mit dem Begriff. Bin ich also fähig zu einem Team, dann wird die Sache, die es zu untersuchen gilt das Team. Kritische Theorie impliziert immer auch die Fähigkeit des Teams zu sich selbst. Bin ich also eine Hyäne in einer Gruppe von Hyänen, dann wird das Jagen zur Sache des Teams. Und dieser Sprung von der Fähigkeit zum Team zur Fähigkeit zum Jagen, ist nicht mehr identisch mit der Sache. Also bei der Fähigkeit zum Team geht es vielmehr um das Miteinander im Team, um die Harmonie im Team, um das Selbstverständnis des Teams als Ganzes. Aber es geht nicht ums Jagen!! Vielmehr müssen wir nun die Fähigkeit zum Jagen untersuchen. Schnelligkeit, Stärke, Beobachtungsfähigkeit und auch Brutalität gehören dazu. Der Anteil des Jagens an der Fähigkeit zum Team wird nun schärfer und bezieht sich auf die Zusammenarbeit. Die Sache des Tötens durch das Jagen steht aber für sich. Das erfolgreiche Jagen durch Töten mag ein Ergebnis meiner Fähigkeit zum Team sein. Aber es ist nicht identisch mit meiner Fähigkeit zum Team. Jetzt aber haben wir eine ethische Fragestellung. Ist Töten gut? Meine Fähigkeit zum Team und nimmt Anteil am Töten. Negativ dialektischer Schluss: Ist meine Fähigkeit zum Team gut? Erst wenn ich erkannt habe, ob meine Eigenschaft mit der Sache selbst identisch ist, kann ich den negativen Schluss ziehen. Im weiteren Verlauf genügt der kategorische Imperativ von Kant. Handle stets so, dass dein Handeln zum allgemeinen Gesetz erhoben werden kann. Handle stets so, dass das Objekt deines Handelns nie bloß als Mittel dient, sondern immer zugleich auch als Zweck. Die Jagd ist somit nicht mehr bloßes Mittel, um satt zu werden. Das gejagte Objekt wurde zum moralischen Subjekt. Und so wird meine Jagd immer zugleich den Zweck des Erhaltens des moralischen Subjekts implizieren.

 Arbeite ich in einem Team, das die Jagd als bloßes Mittel nutzt, nehme ich durch meine Fähigkeit zu diesem Team Anteil daran. Arbeite ich also in einem Betrieb, der Massentierhaltung betreibt, nehme ich daran Anteil. Da ich aber meine Familie ernähren muss, und keine andere Arbeit in Aussicht ist, führe ich ein falsches Leben. Ich müsste in dem Betrieb ein Umdenken erreichen. Meine Fähigkeit zum Team wird also zur kritischen Instanz. Urteilen Sie selbst, ob dieser Mensch Karriere macht. Dennoch könnte ich ja in diesem Betrieb andere Kompetenzen einsetzen. So könnte ich meine Kommunikationsfähigkeiten nutzen, um meine Kollegen und Vorgesetzten zum Umdenken zu animieren. Und so macht die Fähigkeit zu reden den negativen Sprung zur Sache. Ich werde zum Sophisten (nutze Überredungstechniken), um die Sache, die meine wurde, voranzubringen. Doch wieder ist es ein falsches Leben. Kollegen und Vorgesetzte werden zum bloßen Mittel, um meine Sache voranzubringen. Meine Fähigkeit zu reden wird so dämonisch. Eigenschaften haben weder an sich noch für sich einen Wert.

Der Oberbegriff Kommunikation als eine Eigenschaft, lässt sich in drei Teile zerlegen: com – uni – care. Mit gemeinsam sich sorgen. Sprechen ist immer schon ein miteinander sprechen und impliziert das zuhören. Wenn Sie Ihre Fähigkeit zum Team kritisch äußern, hat ihr Reden damit Anteil an der Sache. Werden Sie zum Sophisten, wird die Sache als Mittel missbraucht. Ihr Standpunkt muss einsichtig sein, nicht nur einfach richtig. Zur Einsicht gehören aber die Lösung des Problems und die Wiederholbarkeit dieser Lösung. Reine Sophistik liefert keine Lösung. Ihre Fähigkeit zum Team, sowie ihre Fähigkeit zu kommunizieren wird vom reinen Begriff zur Sache durch Einsicht als Lösung des Widerspruchs der Sache. Massentierhaltung führt zur ökologischen Katastrophe, weil der Wasserverbrauch pro Kilogramm Rindfleisch bei 15000 Litern liegt, der Getreideverbrauch pro Kilogramm Rindfleisch bei 16 Kilogramm liegt und so weiter. Die Reduktion von Fleisch wäre die Lösung. Aber dies erreichen wir nicht in einer Wettbewerbsgesellschaft. Eine Fleischsteuer wäre hier nicht gerecht. Es wäre keine wiederholbare Lösung, da der soziale Unfrieden durch Benachteiligung einkommensschwacher Verbraucher zeitlich absehbar Probleme verursachen würde. Eine gerechte Umverteilung ökologisch verträglicher Fleischressourcen, ist logistisch machbar. Dazu müsste man Fleisch als Allgemeingut betrachten. Nur dort also, wo unser Wettbewerb nicht im Widerspruch zum kategorischen Imperativ steht, kann es auch Wettbewerb geben. Man muss den Kapitalismus nicht abschaffen. Vielmehr gilt es, dort wo Schaden verursacht wird, der Sache gerecht zu werden.

In der negativen Dialektik zwischen Begriff und Sache verändert sich die Praxis. Das Produkt ist also ein negativ dialektischer Prozess zwischen meiner Eigenschaft und meiner Praxis. Negativ im Sinne von Identität und Nicht-Identität. Ist meine Eigenschaft nicht identisch mit dem Produkt, gilt es negativ die Praxis zu ändern. Meine Eigenschaften kann ich nicht ändern, nur trainieren. Der entscheidende Faktor im Training ist aber eben die Praxis. Und diese orientiert sich am Produkt. Das Produkt aber ist Wert-Setzung. Erst also, wenn der gesetzte Wert eines Produktes mit meiner Eigenschaft identisch ist, kann ich von einer gelungenen Praxis reden. Nun ist aber die Fähigkeit zu töten eine Eigenschaft und das tote Objekt das Produkt gelungener Praxis. Meine Eigenschaft ist also identisch mit dem Produkt.  Die Fähigkeit, das Töten zu lassen steht im Widerspruch dazu. Es ist allerdings eine negative Eigenschaft, da ein Tun unterlassen wird. Warum sollte das eine wertvoller sein als das andere? Es gilt die Sache anzusehen. Und hier haben wir eben wieder die negative Dialektik zwischen Begriff und Sache. Die Bedeutung eines Begriffs ergibt sich aus der Eigenschaft. Die Eigenschaft führt über die Praxis zur Sache. Die praktische Anwendung meiner Eigenschaft kodifiziert die Bedeutung des Begriffs. Was also etwas für mich bedeutet, ist das Ergebnis der praktischen Anwendung meiner Eigenschaft.

Anpassungsfähigkeit ist darwinistisch betrachtet eine Eigenschaft, um erfolgreich zu sein. Was aber Anpassung für mich bedeutet, erfahre ich erst, indem ich mich anpasse. Angenommen ich arbeite in einem Betrieb, in dem die Vorgesetzten von mir verlangen, meine Kollegen auszuspionieren, werde ich erfolgreich sein, wenn ich meine Kollegen ausspioniere. Ich passe mich an, indem ich die Handlungsanweisung meiner Vorgesetzten ausführe. Diese Praxis erschafft nun für mich die Bedeutung: Anpassung bedeutet, seine Kollegen auszuspionieren. Das falsche Leben ergibt sich aus der Sache: Misstrauen, Täuschung und Verrat. Ergo: Anpassung bedeutet in diesem Fall Misstrauen, Täuschung und Verrat. Hier ist der Begriff nicht mehr identisch mit der Sache. Das ist negative Dialektik als praktische Philosophie angewandt.

Begriffe meinen über sich hinaus, weil sie nicht sind

Es gibt also kein falsches Leben an sich. Wir verhandeln immerzu unser Leben. Was also richtig oder falsch ist, das ist Ergebnis unserer Praxis. Gutes gibt es ebenfalls nicht an sich oder für sich. Etwas wird gut, indem ich es tue. Das heißt: Wir werden niemals fertig. Und das ist gut so. Denn hören wir auf, etwas zu tun, kann es niemals gut werden. Was aber eben gut ist, erfahren wir nur, indem wir es tun.



Bernhard Horwatitsch https://www.literaturprojekt.com/



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